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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: 2 O 230/06
Rechtsgebiete: AufenthG
Vorschriften:
AufenthG § 5 | |
AufenthG § 25 V |
2. § 5 AufenthG bedeutet, dass zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann von den Voraussetzungen abgewichen werden darf, wenn nicht besondere, vom Regelfall abweichende Umstände dargetan sind, die eine von der Normallage abweichende Interessensbewertung rechtfertigen. Ein solcher Ausnahmefall kann dann vorliegen, wenn die Erteilung des Aufenthaltstitels höherrangigem Recht entspricht; insbesondere verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen entsprechen würde.
3. Kein hinreichender Ausweisungsgrund m Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG sind solche Ausweisungstatbestände, auf die die Ausländerbehörde bei früheren ausländerbehördlichen Entscheidungen nicht zurückgegriffen hat und die daher als verbraucht anzusehen sind Nur das Absehen von Abschiebemaßnahmen - auch über mehrere Jahre - kann die Annahme eines solchen Vertrauenstatbestands nicht begründen.
4. Generell sind für eine Abweichung von der ansonsten ausschlaggebenden Regel-Voraussetzung bei § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu berücksichtigen, die Dauer des straffreien Aufenthalts im Verhältnis zur Gesamtaufenthaltsdauer sowie der Grad der Entfremdung vom Heimatland. Nur wenn derartige schutzwürdigere Bindungen bestehen würden, wäre die Vorenthaltung einer Aufenthaltsgenehmigung nur noch zur Gefahrenabwehr zulässig.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 2 O 230/06
Datum: 13.07.2006
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht mit der Begründung abgelehnt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).
Ebenfalls zu Recht ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass keine hinreichenden Erfolgsaussichten dafür bestehen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zusteht, auch wenn seine Abschiebung seit dem Abschluss seines Asylverfahrens (Urteil des VG Magdeburg vom 21.09.2001) vorübergehend ausgesetzt war.
Nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreispflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn eine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Anders als bei § 30 Abs. 4 AuslG 1990 und bei § 60 a Abs. 2 AufenthG stellt § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG darauf ab, ob die Ausreise, nicht nur die Abschiebung des Ausländers unmöglich ist. Der Begriff der Ausreise erfasst sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Rückkehr (vgl. Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: 47. Aktualisierung Juni 2006, § 25 Rdnr. 92).
Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass nur geringe Erfolgsausichten dafür bestehen, dass der Kläger einen Reiseausweis für Staatenlose nach Art. 28 S. 1 StlÜbk erhält. Nach dem rechtskräftigen Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration) vom 04.02.2000 kann der Kläger jedenfalls nach Syrien abgeschoben werden.
Die Frage, ob der Kläger staatenloser oder syrischer oder türkischer Kurde ist, ist noch ungeprüft und ungeklärt. Ebenso wenig ist die Frage geklärt, ob der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland freiwillig ausreisen kann.
Bei einer derartigen Sachlage bestehen schon keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die Bejahung der Voraussetzungen des § 25 Abs.5 S.1 AufenthG. Diese Frage kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da jedenfalls die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auch deshalb nicht zu, weil die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach des § 5 AufenthG nicht vorliegen, nicht zu beanstanden ist.
Diese Norm bedeutet, dass zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann von den Voraussetzungen abgewichen werden darf, wenn nicht besondere, vom Regelfall abweichende Umstände dargetan sind, die eine von der Normallage abweichende Interessensbewertung rechtfertigen (vgl. Hailbronner, a. a. O., § 5 Rdnr.1). Ein Ausnahmefall kommt immer dann in Betracht, wenn atypische Geschehensabläufe vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht einer gesetzlichen Regel-Erteilungsvoraussetzung beseitigen. Ein solcher Ausnahmefall kann dann vorliegen, wenn die Erteilung des Aufenthaltstitels höherrangigem Recht entspricht; insbesondere verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen entsprechen würde (vgl. Hailbronner, a. a. O., Rdnr.3). Zutreffend ist hier das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, das im Falle des Klägers ein Ausweisungsgrund im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorliegt. Nicht erforderlich ist, dass der Ausländer ermessensfehlerfrei ausgewiesen werden könnte. Kein hinreichender Ausweisungsgrund sind solche Ausweisungstatbestände, auf die die Ausländerbehörde bei früheren ausländerbehördlichen Entscheidungen nicht zurückgegriffen hat und die daher als verbraucht anzusehen sind (vgl. Hailbronner, a. a. O., Rdnr. 20-22). So liegt der Fall hier nicht. Nur das Absehen von Abschiebemaßnahmen - auch über mehrere Jahre - kann die Annahme eines solchen Vertrauenstatbestands nicht begründen.
Generell sind für eine Abweichung von der ansonsten ausschlaggebenden Regel-Voraussetzung bei § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu berücksichtigen, die Dauer des straffreien Aufenthalts im Verhältnis zur Gesamtaufenthaltsdauer sowie der Grad der Entfremdung vom Heimatland. Weder der eine noch der andere Gesichtspunkt sprechen hier für den Kläger, der sich erst seit Dezember 1999 im Bundesgebiet aufhält und der am 19.09.2000 wegen gewerbs- und bandenmäßiger Einschleusung von Ausländern zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt worden ist.
Nur wenn derartige schutzwürdigere Bindungen bestehen würden, wäre die Vorenthaltung einer Aufenthaltsgenehmigung - wie die Beschwerdeschrift meint - nur noch zur Gefahrenabwehr zulässig. Einer Untersuchung dieses Gesichtspunkts bedarf es daher nicht. Ebenso wenig kommt es bei dieser Rechtslage - entgegen der Beschwerdeschrift - auf den Integrationsgrad des Klägers an.
Ende der Entscheidung
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